Arbeitspflicht

Das baden-württembergische Justizvollzugsgesetzbuch verpflichtet die Gefangenen, eine ihnen zugewiesene, ihren Fähigkeiten angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Beschäftigung auszuüben, soweit sie dazu körperlich in der Lage sind. 

Diese Arbeitspflicht gilt nicht für Gefangene, die die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben, und auch nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter bestehen.

Für Untersuchungsgefangene besteht angesichts der bis zu einer eventuellen Verurteilung bestehenden Unschuldsvermutung ebenso keine Arbeitspflicht. Jugendliche Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an z.B. schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder zur Arbeit verpflichtet werden, soweit dies entsprechend ihrem Entwicklungsstand angezeigt ist.

Auch für Sicherungsverwahrte gilt aufgrund deren verfassungsgerichtlich hinterlegter Sonderstellung die Arbeitspflicht nicht.

Die für die übrigen Gefangenen geltende Arbeitspflicht ist wesentlicher Bestandteil des auf Resozialisierung ausgerichteten baden-württembergischen Justizvollzugs und liegt in erster Linie im Interesse der Gefangenen. 

Viele Gefangene sind vor Beginn des Freiheitsentzugs – auch mangels in Freiheit erlernter selbstverantwortlicher Lebensführung – nur wenig oder gar nicht in einen geregelten Arbeitsalltag eingegliedert.

Sie verfügen über keinen schulischen oder beruflichen Abschluss und sind häufig vor ihrer Inhaftierung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. 

Die sinnvolle Arbeit, Ausbildung und berufliche Qualifizierung im Vollzug als wichtiges Mittel der Behandlung der Gefangenen dient dazu, berufliche Fähigkeiten zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

Hierdurch sollen die Gefangenen befähigt werden, sich nach der Entlassung mit eigener Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen und künftig – hierauf aufbauend – ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen.

Durch die Angleichung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe an die Verhältnisse außerhalb des Justizvollzugs werden den Gefangenen Fähigkeiten wie beispielsweise das Verstehen und Einhalten von Arbeitsanweisungen und Qualitätsanforderungen vermittelt sowie Durchhaltevermögen, Verständnis für Produktionszusammenhänge, Konzentration, Teamfähigkeit und viele weitere in der heutigen Arbeitswelt notwendige Fähigkeiten trainiert.

Die Arbeitspflicht gehört zu einem umfassenden Resozialisierungskonzept, das auf ein straffreies Leben in Freiheit abzielt. Eine grundsätzlich positive Wirkung der regelmäßigen Arbeit auf die Resozialisierung lässt sich nicht bestreiten.

Das Bundesverfassungsgericht stuft die Arbeitspflicht der Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten als verfassungskonformes Resozialisierungsmittel ein, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet.

Diese Anerkennung muss nicht notwendigerweise finanzieller Art sein; sie muss aber geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftig eigenverantwortliches Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen. In Baden-Württemberg setzt sich diese Anerkennung der Gefangenenarbeit aus einem monetären Teil in Form des Arbeitsentgelts als auch aus einem nicht monetären Teil in Form eines Freizeitausgleichs zusammen.

Es ist in der Rechtsprechung und Vollzugswissenschaft völlig unstreitig, dass eine entlang des Vollzugsziels der Resozialisierung ausgestaltete Arbeitspflicht weder gegen das Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 2 des Grundgesetzes) noch gegen Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. 

Die Arbeitspflicht in Baden-Württemberg fällt auch nicht unter Art. 2 Nummer 1 des internationalen Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Gemäß Art. 2 Nummer 2 c) gelten als Zwangs- und Pflichtarbeit nicht „jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird, jedoch unter der Bedingung, dass diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und dass der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird“. In den Justizvollzugsanstalten Baden-Württembergs werden die Gefangenen ausschließlich von Vollzugsbediensteten überwacht und sind nur deren Direktions- und Weisungsbefugnis unterworfen.

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Arbeitspflicht bereits durch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme sowie an einer arbeits- oder beschäftigungstherapeutischen Maßnahme erfüllt wird. 

Auch diesbezüglich haben wir in Baden-Württemberg vielfältige Angebote für die Gefangenen geschaffen, die regelmäßig entlang der sich im Lauf der Jahre ändernden Bedürfnisse der Gefangenen fortentwickelt werden.